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"Wir sind doch Schwestern" von Anne Gesthuysen



Worum geht’s?

Fast 300 Jahre alt sind die Schwestern Gertrud, Paula und Katty Franken zusammen. Die Geschichte startet mit der Zusammenkunft der drei älteren Ladies auf dem Tellemannshof anlässlich des 100. Geburtstags von Gertrud. Diese Gelegenheit nutzen die Schwestern mehr oder weniger, um endlich reinen Tisch mit allem zu machen. Abgesehen von Gertruds Schwerhörigkeit und Paulas Sehschwäche erfreuen sich die Golden Girls zwar bester Gesundheit, sind sich ihres fortgeschrittenen Alters allerdings auch bewusst. Viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr miteinander, aber Redebedarf gibt es en masse, so viel steht fest! Schnell merkt man als Leser*in, dass jede der drei Protagonistinnen so ihre ganz eigenen Geheimnisse hat. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge erzählen die Damen rückblickend von den wichtigsten Momenten ihres Lebens: Paula, das mittlere Kind, ist die Vernünftige, immer darauf aus, Frieden und Harmonie zu stiften. Doch ihr Leben war nicht immer so harmonisch, fühlte sich ihr Ehemann doch plötzlich zu Männern hingezogen, in einer Zeit, in der Homosexualität noch streng verboten war und bestraft wurde. Nesthäkchen Katty und die Älteste, Gertrud, könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Katty sich gerne reden hört, zu impulsiven Reaktionen neigt und auch mit 84 Jahren noch die größten Feste feiert, ist Gertrud für damalige Verhältnisse viel gereist, hat sich dadurch gebildet und die Moral schon immer hochgehalten. Gertruds belehrende Art provoziert Katty, sodass das Aufeinandertreffen der Streithennen immer wieder für Zündstoff sorgt. Trotzdem haben beide eine Gemeinsamkeit, denn ihr Schicksal hängt auf tragische Weise mit dem Landtagsabgeordneten und CDU-Politiker, Heinrich Hegmann, zusammen: Katty liebt ihn, Gertrud hasst ihn... Warum? Lest selbst!


„Doch mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass auch sie immer für etwas gekämpft hatte, selbst wenn die Umstände widrig gewesen waren: für ihre Schwestern. Eigentlich waren ihre Schwestern ihre Heimat, und die würde sie nicht verlassen, solange sie lebte. (“Wir sind doch Schwestern“ – Anne Gesthuysen)

Gelesen auf: Deutsch

Nase zwischen den Seiten: 14 Tage

Seitenzahl: 416

Preis: 19,99 €

Erschienen: Im November 2012 beim KiWi-Verlag (Kiepenheuer & Witsch)

ISBN: 978-3-462-04465-2

Tipps & Tits: Ganz ehrlich? Nachdem ich das Buch gelesen hatte, wollte ich so gerne meine Omi sehen. Leider sind meine Großeltern schon tot. Daher kann ich es nur jedem empfehlen, Oma und Opa zu besuchen, wenn es möglich ist. Fragt bei der Gelegenheit doch einfach mal nach, wie es damals so war, an was sie sich gerne erinnern und was sie vielleicht anders gemacht hätten. Dabei kommt bestimmt die eine oder andere spannende Story ans Licht – vielleicht sogar eine Romanze? Meine Großeltern, by the way, sind sich z. B. während des Krieges im Zug zum ersten Mal begegnet.

Boobscore: 2 von 5 ( • ) ( • ) Nun ja, da wären die drei Protagonistinnen … Die Ladies sind jede auf ihre Art besonders und zeigen, dass Frauen* auch während der harten Kriegszeiten und den schweren Jahren danach alleine zurechtkommen konnten. Trotzdem sind sie alle drei eher passiv in ihrem Handeln und in ihren Reaktionen auf Schicksalsschläge, statt ihr Leben aktiv zu bestimmen. Gertrud, Paula und Katty sind also weit entfernt von dem, was man heute emanzipiert und selbstbestimmt nennt. Der Roman spricht allerdings auch sehr wichtige Themen an: von dem Skandal und der strafrechtlichen Verfolgung von homosexuellen Beziehungen noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zum drohenden Ende der Karriere eines Politikers, dessen Scheidung in krassem Widerspruch zum christlichen Weltbild seiner Partei steht. Scheidungen waren Ende der 40er-Jahre eine Leumunds-Angelegenheit. Dabei wurden vor Gericht sehr viele Zeugen gehört, die aus heutiger Sicht geradezu lächerliche Fragen zum moralischen Verhalten der Beteiligten beantworten mussten, um herauszufinden, wer Schuld an der Zerrüttung der Ehe trägt. Auch wenn es ein sehr lesenswerter Roman ist, gebe ich daher insgesamt nur 2 Punkte.

Literarisches Feuerwerk? Als literarisches Feuerwerk habe ich den Roman nicht empfunden. Die Sprache ist einfach und schlicht gehalten und die Dialoge wirken manchmal etwas steif. Der Roman punktet jedoch durch seinen trockenen Humor, der oft in Kaffeeklatsch- und Tratsch-Gesprächen zum Vorschein kommt. Dadurch entsteht ein sympathisches und authentisches Familienbild. Man fühlt sich von Anfang an als Teil der Familie Franken, als würde man mit am Tisch sitzen, wenn die verschrobenen Omis ein Schnäpschen zu sich nehmen und Tante Katty Bratkartoffeln mit Speck auftischt.

Stoff zum Nachdenken Was gibt einem letzten Endes das Gefühl, ein glückliches Leben geführt zu haben? Diese Frage hat mich während des Lesens immer wieder beschäftigt und auch danach noch. Muss man verheiratet gewesen sein und Kinder haben, sind es generell die Menschen, mit denen man sein Leben verbracht hat oder ist es das Erlebte selbst? Die drei Golden Girls blicken nicht nur auf fröhliche Momente ihres Lebens zurück, sondern auch auf verpasste Chancen, eingeschränkte Optionen und verlorene Liebschaften. Das hat mich dazu gebracht, mein eigenes Leben zu hinterfragen: Bin ich glücklich? Werde ich zum Ende meines Lebens hin sagen können, dass ich ein glückliches Leben geführt habe? Aus der Geschichte nehme ich für mich mit, die Gegenwart bestmöglich zu genießen, bewusst Dinge zu tun, die mir Spaß machen und mich mit Menschen zu umgeben, die mir gut tun. Auch wenn es wohl kein Rezept zum Glücklichsein gibt und jeder durch Höhen und Tiefen geht, sind das bestimmt gute Ansätze.

Bestes Geburtstagsgeschenk für … ... ein Familienmitglied. Der Roman stellt die Bedeutung von Familie so in den Vordergrund, dass sich Geschwister, Eltern und Großeltern eigentlich nur darüber freuen können, wenn man diese Geschichte mit ihnen teilt. Allerdings könnten auch Heimatverbundene und Geschichtsinteressierte auf ihre Kosten kommen, da das Leben der Menschen am Niederrhein über die Jahre sehr eindrücklich beschrieben wird.

Happy Hour Passend zur Geschichte natürlich Bratkartoffeln und Kräuterschnaps. Nach Lust und Laune könnte man sogar ein Trinkspiel daraus machen und immer ein Schnäpschen kippen, wenn sich die Ladies im Buch einen genehmigen. Müsste man mal testen ... ;)


Zu dieser Lebenslage passt das Buch: Wenn man sich mal nostalgisch in einer anderen Zeit verlieren will. Die humorvolle und warme Art der drei Schwestern sorgt dafür, dass man sich nicht verloren fühlt, sondern sich ganz schnell in einer Familie wiederfindet, mit all ihren Schwierigkeiten und Freuden.

A little Bio never killed nobody Anne Gesthuysen ist am unteren Niederrhein aufgewachsen, also in der Region, wo auch ihre Geschichte spielt. Mit 17 Jahren machte sie bereits ihre ersten Schritte im Journalismus als Hörfunkreporterin im Außendienst des WDR. Nach ihrem Journalistik-Studium an der Universität Dortmund und einem Volontariat beim WDR arbeitete sie als freie Autorin für verschiedene Sender. Aber auch vor der Kamera machte sie Karriere: Von 2002 bis 2014 moderierte sie das „ARD-Morgenmagazin“ gemeinsam mit ihrem Kollegen Sven Lorig. 2012 gewannen sie dafür sogar den deutschen Fernsehpreis. Das Jahr 2012 ist aber auch aus einem anderen Grund besonders für sie: Gesthuysen veröffentlicht ihren ersten Roman, Wir sind doch Schwestern, den sie in Gedenken an ihre Großtanten schrieb, von deren Leben sie inspiriert war. Aktuell nimmt sie sich vor der Kamera immer mehr zurück, um sich dem Schreiben weiterer Romane zu widmen. Hier noch ein schöner Artikel aus der Welt zu Gesthuysen, ihrem Buch und wie es dazu kam, über das Thema zu schreiben. Dieser Beitrag ist von unserer Gastbloggerin Caro. Das sagt Caro über sich: Harry Potter hat das geschafft, was noch nicht einmal Hanni und Nanni zusammen konnten: Meine Begeisterung fürs Lesen entfachen. Nachdem ich Der Gefangene von Askaban im Kino gesehen hatte, wollte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht und eben nicht noch ein Jahr auf die nächste Verfilmung warten. Also kaufte ich mir Band 4, den ich teilweise sogar mit zur Schule genommen habe, weil ich ihn nicht mehr aus der Hand legen konnte. Seitdem brenne ich für Literatur. Das zeichnet sich auch in meiner Vita ab: Ich habe im Bachelor Germanistik und Anglistik studiert und

einen Masterabschluss in Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft gemacht. Jetzt bin ich in PR und Marketing aktiv und schreibe selbst Texte für verschiedene Formate. Was gibt es noch zu sagen? I love coffee – nicht geschüttelt, aber dafür schwarz – und beim Yoga kann ich so tiefenentspannen, dass ich gerne mal einschlafe. Namasté!



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