top of page

"Who the Fuck is Kafka" von Lizzie Doron

Aktualisiert: 16. Aug. 2020



Worum geht’s? 

Who the Fuck Is Kafka ist wider Erwarten keine Kafka-Biographie. In diesem Buch erzählt die israelische Autorin Lizzie Doron von der Entwicklung ihrer Freundschaft zum Palästinenser Nadim. Die beiden lernen sich auf einem israelisch-palästinensischen Friedenskongress in Rom kennen, der ganz im Zeichen des Völkerverständigung steht. Trotz Lizzies Bereitschaft, sich bei der Konferenz mit dem Konflikt auseinanderzusetzen, kann sie ihre Vorurteile gegenüber Nadim nicht ablegen. Er ist und bleibt schließlich ein Araber, bei dem das Risiko bestehen bleibt, dass er sich jede Minute in die Luft sprengt. Oder? 


Wie sich im Laufe der Zeit herausstellt, ist das wohl doch nicht ganz der Fall. Lizzie fängt an, ihre eigene Biases auf die Probe zu stellen. Nach ihrer Rückkehr aus Rom fangen die beiden an, sich regelmäßig zu treffen, zunächst in Tel Aviv bei Lizzie, dann auch im Osten Jerusalems, Palästina. 


Nach den ersten (kurzen) Oberflächlichkeiten des Kennenlernens erzählen die beiden sich gegenseitig ihre Geschichten. Lizzies Leben ist vom Trauma ihrer Mutter geprägt, die den Holocaust überlebte und von Deutschland nach Israel floh. Nadim hingegen leidet unter den tagtäglichen Zumutungen und Katastrophen der israelischen Militärbesatzung. Lizzie und Nadim beschließen, dass sie diese Erlebnisse und Geschichten in etwas Größeres verwandeln wollen. Während Lizzie beginnt, ein Buch zu schreiben, plant Nadim, einen Film über die Situation in Israel und Palästina zu drehen, der auf den persönlichen Geschichten der Freunde basiert. 


Auch wenn dies wie eine perfekte Friedensgeschichte klingt, in der Konflikte durch Kunst überwunden werden, stellt sich heraus, dass dies doch gar nicht so einfach ist. Sich vorzustellen, wie es ist, in einem Umfeld aufzuwachsen, das voller Hass auf eine andere Bevölkerungsgruppe ist und vor Vorurteilen nur so strotzt, ist für viele von uns so gut wie unmöglich. Es stellt sich heraus: Vorurteile zu überwinden, um Frieden zu schaffen, ist möglich, aber eben auch sehr schwierig. 


"Wir sind Feinde und werden immer Feinde bleiben, dachte ich. Und dann: Hör auf damit." ('Who the Fuck Is Kafka' - Lizzie Doron) 

Gelesen auf: Deutsch 

Nase zwischen den Seiten: 5 Abende

Seitenanzahl: 256

Preis: 7,99 € (D) 

Erschienen im Januar 2015 bei dtv

ISBN: 978-3423144841


Tipps & Tits

Who the Fuck Is Kafka ist das perfekte Buch wenn ihr vorhabt, demnächst nach Israel und/oder Palästina zu reisen. Letztes Jahr absolvierte ich ein Praktikum in Israel, weshalb ich mit der grundlegenden Thematik bereits vertraut war. Die Probleme und Konflikte, die zwischen den beiden Freunden auftreten scheinen mir in dieser Region der Welt nicht einzigartig, sondern allgegenwärtig. Die Straßensperren, von denen Nadim erzählt, habe ich live miterlebt. Das kollektive Trauma des jüdischen Volkes des Holocaust sitzt immer noch tief. Genau beschreiben kann man die Atmosphäre und den Vibe Israels einfach nicht, dafür muss man schon hinfahren. Kleine Empfehlung an dieser Stelle: die Breaking the Silence Touren in die besetzten Gebiete. Auch für diese Touren ist das Buch eine top Vorbereitung. 


Boobscore: 2 von 5 Boobs ( • ) ( • ) 

Zum Boobscore gibt es bei diesem Buch relativ wenig zu sagen. Leider nur zwei Boobs, weil es eigentlich nicht wirklich um feministische Themen geht. Allerdings scheint Lizzie Doron, die Autorin, eine derart mutige Person zu sein, die sich mit ihrer politischen Einstellung gegen die israelische Mehrheitsmeinung zum Nahostkonflikt stellt, so dass sie ein wunderbares Vorbild für Frauen darstellt, die sich nicht den Mund verbieten lassen wollen. Desweiteren scheint es mir wertvoll, dass sie mit ihrem Buch eine weibliche Perspektive auf den Nahostkonflikt entwickelt. Wenn man einen Blick in die Zeitungen wirft, äußern sich meist ausschließlich Männer zur Thematik. Ihr Buch ist also nicht nur ein gelungener Roman, sondern auch ein wertvolles politisches Statement. 


Literarisches Feuerwerk?

Auf jeden Fall ein super insightful Roman, der es wert ist, gelesen zu werden. Dadurch, dass der Roman ausschließlich Lizzies Perspektive erzählt, vielleicht etwas einseitig geschrieben, aber trotzdem eine literarische Empfehlung. 


Stoff zum Nachdenken

Vorurteile gibt es überall, im Nahen Osten sind sie jedoch besonders stark ausgeprägt. Viele Israelis und Palästinenser haben eine black and white Sicht auf den Konflikt. Sie sind geprägt und umgeben von den Narrativen ihrer Familie und werden nur selten mit der jeweils anderen Perspektive konfrontiert. Meiner Meinung nach sind aber gerade die grauen Schattierungen, der Schlüssel zum gegenseitigen Verstehen. Trotzdem fragt man sich: Wie kann dafür gesorgt werden, dass in diese Region Frieden einkehrt? Ist dies tatsächlich, so wie es manchmal scheint, ein Ding der Unmöglichkeit? 


Bestes Geburtstagsgeschenk für …

… alle die curious über den Nahen Osten sind und sich nicht mit ewig langen Geschichtsbüchern rumquälen wollen. Wie gesagt, das Buch dient auch als eine gute Vorbereitung für einen Nahost-Trip oder eben als kleine Traumreise nach Israel und Palästina, in Zeiten von Reisewarnungen (Corona Ahoi!). 


Happy Hour:

Arak! Bester israelischer Schnaps ever! Lecker, lecker ...


Zu dieser Lebenslage passt das Buch:

Mich packt manchmal das Lesefieber und ich muss unbedingt etwas lesen, was meinen Horizont potenziell erweitert. Also klar, jedes Buch macht das ja irgendwie, aber manche eben mehr und manche weniger. Dieses Buch hat mir auf jeden Fall nochmal einen tieferen Einblick in die alltägliche und persönliche Ebene des Nahostkonflikts gegeben, weshalb ich es jedem empfehlen würde, der gerade ein bisschen neugierig auf neues Wissen ist. 


A little Bio never killed nobody

Lizzie Doron ist eine israelische Autorin, die 1953 in Tel Aviv geboren wurde. Ursprünglich arbeitete sie als Linguistin an der Universität Tel Aviv (die Frau weiß also, wie man mit Sprache umgeht). Ab und zu zieht es sie auch in die Schweiz, wo sie als Gastprofessorin an der Universität Bern lehrt. In einem Interview mit der Zeit gab sie zu, dass sie zwar gerne Mocca-Joghurt und Pyjamas in der Schweiz kaufe, sich aber nicht vorstellen könnte, dort auf Dauer zu leben - für sie sei es kein Ort der Inspiration und Kreativität. 




54 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page