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"Sie hat Bock" von Katja Lewina



Worum geht’s?

Ein zentrales Thema nimmt sich Katja Lewina so richtig vor in diesem Buch: die Klischees rund um die weibliche (und indirekt um die männliche) Sexualität. Warum geben Frauen zum Beispiel statistisch gesehen mehr Blowjobs, als sie umgekehrt geleckt werden? Wieso faken so viele Frauen ihren Orgasmus beim Sex? Was stellt die Porno-Industrie mit unseren Vorstellungen von Sex an? Und wie ist das mit der Monogamie - ist doch eigentlich alles ein soziales Konstrukt und längst überholt - oder? “Sie hat Bock” ist eine Sammlung von Kolumnen, die Katja Lewina über die Jahre in verschiedenen Medien wie der Süddeutschen Zeitung und im Playboy veröffentlichte. Mit persönlichen Anekdoten unterfüttert, bei denen sie nicht im Detail spart, marschiert Katja Lewina von einem wichtigen Thema zum nächsten: sexuelle Erfahrungen im Kindesalter, Sexualkunde-Unterricht in der Schule, Analsex, vaginale Orgasmen - von allem ist etwas dabei.


“Ich … dachte lange, ich hätte einen schlimmen Fehler im System, nur weil ich mehr Bock auf Sex hatte als die meisten meiner Partner.” (‘Sie hat Bock’ - Katja Lewina)

Gelesen auf: Deutsch

Nase zwischen den Seiten: 10 Abende

Seitenanzahl: 224

Preis: 20,00€ (D)

Erschienen im März 2020 beim DuMont Verlag

ISBN: 978-3832181178


Tipps & Tits

Ganz ehrlich gesagt: Am Anfang war ich beim Lesen etwas verklemmt. Auch wenn ich mich eigentlich für ziemlich aufgeklärt halte. Deswegen wohl wollte ich mir diese Verklemmtheit zuerst gar nicht eingestehen. Irgendwo in meinem Kopf war ein winziger Teil, der dachte, boah - so was kann man doch nicht schreiben! So ein Wort kannst du doch nicht benutzen! Damit will ich sagen, falls es euch ähnlich geht: Erkennt die eigene Beklemmung an und akzeptiert sie - die ist schließlich Teil der Sozialisierung, die wir Frauen mitgemacht haben und mitmachen - und dann lest ihr einfach drauf los. Sie wird sich von selbst entkrampfen.


Boobscore: 5 von 5 Boobs ( • ) ( • ) ( • ) ( • ) ( • )

Dieses Buch ist der Inbegriff des Boob Score, denn hier steckt wirklich so viel drin. Katja Lewina nimmt uns mit auf eine unbequeme Tour durch die Sozialisierungslandschaft der Geschlechter. Dabei zeigt sie uns Sehenswürdigkeiten wie: Frauen, die sich durch ihren Körpergeruch (aka der berühmt-berüchtigte Fischgeruch aus der 'Vagina') schmutzig fühlen, denn das hat die Gesellschaft uns so über die Jahrzehnte eingebläut. Anderes Beispiel: Ein paar Meter weiter gibt’s dann die Frauen zu bestaunen, die sich ihr Geschlechtsteil operativ haben verkleinern lassen, weil ausgeleierte Weiber (vor allem nach der Geburt) will ja schließlich keiner mehr. So nach dem Motto: Wenn man reinruft, gibt’s ein Echo. Oder, noch eine Station: Die Schönheitsideale rund um die Vulva. Wer hat überhaupt diese Bullshit-Standards in die Welt gesetzt, wie Schamlippen und Klitoris auszusehen haben? Ganz richtig: das Patriarchat.


“Ich persönlich kenne keine einzige Frau, die von der Verletzung ihrer sexuellen Grenzen verschont geblieben wäre. … Und nein, [die Frauen] sie sind nicht selbst schuld, dass sie nicht früher mit der Sprache rausgekommen sind.” (‘Sie hat Bock’ - Katja Lewina)

Mit diesen und vielen, vielen weiteren einsozialisierten Konditionierungen, die leider immer noch in unseren Hirnen (jeden Geschlechts) festsitzen, macht Katja Lewina Großputz und entsorgt dabei gleich alles, wovon sich jede Frau und auch sonst jede*r freimachen sollte: weiblich passiv versus männlich aktiv beim Sex? Jede*r bitte nach seinem oder ihrem Geschmack, aber nicht, weil Frauen in Pornos immer erst mal auf den Knien rumrutschen. Rasur des (weiblichen) Intimbereichs, weil das eben der Standard der Zeit ist? Warum nicht drauf rotzen und statt kindlichem Untenrum bunte Wolle zwischen den Beinen? “Eigentlich will ich keinen Sex mit dem Typen, aber er hat jetzt schon die Hose unten, also mach ich mit?” Stattdessen eigene Grenzen ziehen. “Sie hat Bock” führt uns vor allem nicht nur Umstände im Erwachsenenleben vor, sondern nimmt sich zum Beispiel auch den Sexualkunde-Unterricht vor, in dem Mädchen den Unterschied zwischen Vagina und Vulva nicht lernen. Aber - findet’s selbst heraus. Dieses Buch werde ich definitiv mindestens ein Mal pro Jahr zur Hand nehmen und so ziemlich allen in meinem Umkreis empfehlen. Female Empowerment vom Feinsten.


Literarisches Feuerwerk?

Katja Lewina mischt in ihrem Buch schlagfertige Ausdrücke, persönliche Anekdoten und knallharten Aufklärungsjournalismus mit Witz und geistreichen Kommentaren - eine spritzige Bowle, die nicht nur mundet, sondern auch wirklich Spaß macht zu lesen.


Stoff zum Nachdenken

Das Buch habe ich kapitelweise konsumiert und dann jedes Mal wieder zur Seite gelegt für einige Minuten, denn jede Seite, jedes Statement spornt zu neuen Gedanken und zum Reflektieren über das eigene Leben und das Umfeld an. Wie locker gehen meine Freundinnen und die Frauen in meiner Familie eigentlich mit Sexualität und ihrem Körper um? Bei uns Zuhause wurde beispielsweise NIE über Sex gesprochen. Das passierte einem wohl irgendwann einfach. Und, noch ein kleiner persönlicher Schwank: Parallel zum Lesen habe ich begonnen (ja, zum ersten Mal überhaupt, ich gestehe!) Gossip Girl zu schauen. Und ich will es auf jeden Fall Katja Lewinas Texten zuordnen, dass ich beim Schauen dachte: Warum werden hier eigentlich die Frauen geslutshamed* ohne Ende, aber die Männer dürfen sich durch alle Betten vögeln?


Bestes Geburtstagsgeschenk für…

… definitiv jeden Kerl, der euch damit konfrontiert, warum ihr vielleicht beim Sex nicht gekommen seid, warum ihr auch mal gerne oral befriedigt werden wollt oder wie das Ding denn jetzt eigentlich heißt: Vagina oder Vulva? Außerdem eigentlich jeder Frau, von der ihr denkt, sie könnte ein “Heads up” gut gebrauchen, weil sie von Unwohlsein in sexuellem Beisammensein berichtet, oder einfach generell jeder Frau, die Zeichen von Sozialisierung und Konditionierung zeigt (also praktisch: jede Frau).


Happy Hour

Trotz des ganzen Geschreibes über diverse Körperflüssigkeiten geht ein Drink doch immer. Ich empfehle “White Russian” - der ist im Mund mindestens genauso lecker wie anderes Zeug. ;)


Zu dieser Lebenslage passt das Buch

Witzigerweise auch eigentlich zu jeder, weil man viele Dinge einfach in einem neuen Licht sieht. Daraus zitieren beim Vorspiel (auch wenn’s vielleicht ein bisschen abturnt) bis hin zum abendlichen Chillen auf der Couch.


A little Bio never killed nobody

Katja Lewina, was übrigens ein Pseudonym ist, wurde in Moskau geboren. Nach ihrem Studium der Slavistik, der Literatur- und Religionswissenschaften, zückte sie die Feder und wurde freie Autorin und Lektorin. Ihre Texte erschienen im Playboy, auf ZEIT Online und in der Brigitte. Bekannt wurde sie durch ihre “Untenrum”-Kolumne, die ursprünglich mal bei der Süddeutschen Zeitung erschien. Auf ihrer Website zitiert Lewina auch jene, die mit ihrem freidenkerischen und aufgeklärten Statements nicht so klar kommen, zum Beispiel ihre Mutter: “Was ist nur aus dir geworden”. Wir feiern diese Frau und ihre offene Beziehung mit ihrem Mann, laut Lewina “der feministische Traum”.


*Slutshaming: http://feminismus101.de/slut-shaming/



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