"The Stone Gods" von Jeanette Winterson

Worum geht’s?
Intelligente Haushaltsroboter, virtuelle Shopping-Assistentinnen und genetische Verjüngung - die Sci-Fi-Welt von Jeanette Wintersons The Stone Gods scheint für die Menschheit der Zukunft alles zu bieten, was sie sich je erträumt hat. Für die Hauptfigur Billie Crusoe, Forscherin und Hobby-Farmerin, ist ihre fiktionale Zukunft eher eine Dystopie, in der es keine Authentizität und emotionale Wärme mehr zu geben scheint. Und auch sonst ist unter der Oberfläche nicht alles perfekt: Die Menschheit hat ihren Planeten nachhaltig zerstört. Um zu überleben, müssen die Menschen zeitnah umsiedeln. Aber die schöne neue Welt ist bereits gefunden: Planet Blue scheint der perfekte Ersatz für Orbus, der Planet der Menschheit zu sein. Mit nur einem Problem: Planet Blue ist von Dinos besiedelt, die man auszurotten beschließt.
Billie wird unverhofft Teil der Mission, die sich quer durchs All zu Planet Blue begibt, um ihn für die Ankunft der Menschheit “vorzubereiten”, d.h., die Dinos zu eliminieren. Mit an Bord des Raumschiffes ist Spike, eine Robo sapiens. Sie ist ein Hybrid aus Mensch und künstlicher Superintelligenz - und Billie ist direkt in ihren Bann gezogen. Dabei weiß sie eigentlich nicht, was sie von Spike halten soll, denn diese ist ja eigentlich nur eine Maschine und nicht in der Lage, Emotionen zu empfinden. Oder doch …?
“She glances over to the Support Stand and catches my eye. I can’t help but blushing. I think she has read my mind. They can do that.” ('The Stone Gods' - Jeanette Winterson)
Gelesen auf: Englisch
Nase zwischen den Seiten: 3 Abende
Seitenanzahl: 246
Preis: ca. 10,89€ (D)
Erschienen: 2008 bei Penguin ISBN: 978-0141032603
Tipps & Tits
Blättert nicht im Buch, sondern lest es einfach von Anfang bis zum Ende. Warum ich das empfehle, versteht ihr beim Lesen. :)
Boobscore: 5 von 5 Boobs ( • ) ( • ) ( • ) ( • ) ( • )
Yes, dieses Buch hat definitiv die volle Skala verdient! Das Gesellschaftssystem in The Stone Gods ist (immer noch oder wieder) ein klar geordnetes, rigoroses Patriarchat. Die wichtigen Positionen in dieser Welt sind besetzt von Männern, die entsprechend auch die relevanten Entscheidungen treffen. Zum Beispiel wurde Spike so designed, dass die Robo sapiens nicht nur wahnsinnig intelligent ist, sondern auch den perfekten, über-sexualisierten Körper hat. Damit verweist The Stone Gods nicht nur darauf, dass die gesellschaftlichen Strukturen bei uns und in anderen Orten der Welt ähnlich funktionieren - man denke nur daran, wie wenige Frauen Führungspositionen besetzen. Und ja, auch wenn das Argument abgeschmackt ist, ist es dadurch nicht weniger wichtig. Der Roman hält uns auch vor, wie Frauen und ihr Körper als männliches Eigentum gehandhabt werden - geformt nach den Wünschen des Mannes. Die Möglichkeit des “genetischen” Fixens in The Stone Gods unterstreicht dies umso deutlicher: Keine Frau, generell niemand, lässt sich noch altern - wäre ja absurd! Und, weil Menschen sich außerhalb vom Mutterleib fortpflanzen, sind Frauen in Billies ironischer Sicht generell quasi überflüssig geworden:
“The future of women is uncertain. We don’t breed in the womb any more, and if we aren’t wanted for sex ... ” ('The Stone Gods' - Jeanette Winterson)
Winterson überspitzt ihre Welt so krass (und gleichzeitig wiederum auch nicht), dass sie unserer Realität den Spiegel vorhält. Ein ziemlich hässliches Spiegelbild ist das, ihr Lieben, und es gibt noch so viel zu tun. Das Buch ist ein Appell, sich als Frau nicht nach den Vorstellungen von niemandem zu richten und genau die Version von sich zu leben, die man/frau sein möchte.
Was ebenfalls echt nice ist: Die offensichtlichen Beziehungen im Buch sind alle nicht straight. Das ist so selbstverständlich Teil dieser Welt, dass wir nicht bewusst darauf gestoßen werden, sondern es fließt einfach ein. Ich hab erst beim Lesen gemerkt, wie ich mit meinen eigenen Biases immer wieder konfrontiert wurde. Beispielsweise habe ich am Anfang nicht begriffen, dass Billie selbst eine Frau ist, einfach wegen des Namens. Shame on me. Billie ist übrigens eine fantastische Heldin: sarkastisch, schlagfertig, und sich ganz und gar darüber bewusst, dass sie aus ihrer eigenen Zeit gefallen ist. Doch statt sich dem zu unterwerfen, umarmt sie ihren eigenen Spleen und lebt genauso, wie sie es möchte: mit einem echten Hund (ja, einer existiert noch), ohne große Karriereambitionen und mit genetischen Alterungsprozessen. In vieler Hinsicht ein Vorbild.
Literarisches Feuerwerk?
Unbedingt und absolut! Keine schreibt wie Jeanette Winterson - so verspielt, so ironisch. Manchmal herzergreifend, dann wieder harsch niederschmetternd, voller gewaltiger Bilder und jeder Menge Referenzen, die den Text mit sich selbst verzahnen, wie ein großes Netz aus Wörtern.
Stoff zum Nachdenken
Schlichtweg die grundsätzlichen Aspekte des Menschseins. Was macht uns im Zeitalter beschleunigender Technologien noch menschlich? Wie können wir an diesen Werten festhalten und sie vor dem Druck der technologisierten und optimierten Gesellschaft schützen? Wie menschenähnlich und gefühlvoll sind die Maschinen, die wir bauen? Der Roman spielt viele Gedankenexperimente mit uns durch.
Bestes Geburtstagsgeschenk für...
... alle, die es lieben, zu philosophieren - über den Menschen, die Welt, über Vergangenheit und Zukunft. Und wenn man auf Theorien steht, in denen alles mit allem zusammenhängt und irgendwann vielleicht alles einen Sinn ergibt.
Happy Hour
Bombay Sapphire Gin - Die Flaschenfarbe passt so gut zum Buch!
Zu dieser Lebenslage passt das Buch
Das Buch ist mit mir Transsibirische Eisenbahn von Moskau nach Irkutsk am Baikalsee gefahren. Also: top für lange Zugfahrten, für verträumtes Aus-dem-Fenster-Schauen und Hoch-in-den-Himmel-Starren.
A little Bio never killed nobody
Jeanette Winterson aus Manchester in UK ist eine preisgekrönte Fiction-Schriftstellerin, die für Werke wie Oranges are not the only Fruit, Ingenious und, ganz frisch auf dem Buchmarkt, Frankissstein - A Love Story bekannt ist. Ihre erste Beziehung mit einer Frau hatte sie mit 16, was zu einem Bruch mit ihren religiösen Eltern führte. Die hatten sich für sie nämlich eine berufliche Laufbahn als Missionarin vorgestellt. Fun Fact: Winterson wuchs in einem Haus ohne Badezimmer auf. Da Bücher im Haus nicht gerne gesehen wurden, nahm sie die Bücher, die sie las, mit nach draußen aufs Plumpsklo und las per Taschenlampe. Generell ist das Leben der Frau der Hammer, check it out: http://www.jeanettewinterson.com/about/.
