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"Periode ist politisch" von Franka Frei



Worum geht’s?

Was hat die weibliche Periode mit Politik zu tun? Im Grunde: alles, wie Franka Frei in ihrem Buch Periode ist politisch zur Kulturgeschichte der Menstruation aufzeigt. Noch immer gilt das Thema Periode mehr oder weniger überall auf der Welt als Tabu, in manchen Regionen wird sie sogar als körperlicher Mangel angesehen. Personen, die menstruieren, gelten als unrein, werden während ihrer Periode aus ihren Gemeinschaften ausgegrenzt und müssen sich Reinigungsritualen unterziehen (von Sex während der Periode wollen wir gar nicht erst anfangen). Kurz: Der Diskurs um die Menstruation ist zum großen Teil entweder gesellschaftlich nach wie vor unsichtbar, stigmatisiert und/oder von patriarchalen Strukturen geprägt.


"Bis ins 18. Jahrhundert war die Ansicht, 'die Frau' sei einfach nur eine fehlerhafte Version 'des Mannes', ziemlich weit verbreitet. Die Vagina hielt man für einen nach innen gestülpten Penis, der es einfach nicht geschafft hatte, sich nach außen zu kehren." ("Periode ist politisch" - Franka Frei)

All das arbeitet Franka Frei in Periode ist politisch aus verschiedenen Blickwinkeln auf und nimmt geschichtliche, religiöse und medizinische Aspekte mit in ihre Aufklärungsschrift hinzu. Zudem nimmt Franka Frei ihre Leser*innen mit auf ihre Reisen durch verschiedene Länder dieser Welt wie Indien und Pakistan, in denen Menstruation quasi keinen Platz in der öffentlichen Debatte hat. Auf jeder Seite ihres Buches stellt Franka Frei in den Vordergrund: "Wir bluten. Get over it". ;) Ihr geht es v. a. darum, endlich dieses Tabu rund um die Periode zu brechen und sie als das anzusehen, was sie ist: ein natürlicher Prozess, der die Grundlage für unser aller Existenz bildet und ohne den es weder Frauen* noch Männer* auf dieser Welt gäbe.


Gelesen auf: Deutsch

Nase zwischen den Seiten: 9 Abende

Seitenanzahl: 272

Preis: 18,00€ (D)

Erschienen im März 2020 beim Heyne Verlag

ISBN: 978-3453272651


Leseerlebnis

Das ist was sehr Persönliches, aber ich fand, auch wenn ich die Lektüre des Buches sehr genossen und sicherlich auch einiges gelernt habe (wobei dämlich NICHT von Dame und herrlich NICHT von Herr kommt, aber anderes Thema), dass sich manche Themen einfach wiederholt haben. Nicht im Buch an sich, aber wenn man wie ich viele Bücher zum Thema Female Empowerment liest, begegnen einem manche Themen IMMER wieder und das wirkt manchmal repetitiv. Andererseits - man kann nicht oft genug an die Missstände erinnert und auf existierende Tabus aufmerksam gemacht werden (und zudem kann Franka Frei nichts dafür).


Boobscore: 5 von 5 Boobs ( • ) ( • ) ( • ) ( • ) ( • )

Fünf von fünf und drunter gehen wir nicht! Von seinem thematischen Fokus her ist das Buch natürlich ein Female Empowerment-Text mit allem, was dazu gehört. Super fand ich z. B. den Einstieg von Franka in den Text mit der Anekdote, dass eigentlich kein Dozent bzw. keine Dozentin an ihrer Uni ihre Bachelorarbeit zur gesellschaftlichen Tabuisierung der Menstruation betreuen wollte. Zum Glück sind wir hier in Deutschland ja schon total weit, was die Enttabuisierung von Menstruation angeht, sonst hätten wir ja auch nicht bis 2020 19% Mehrwertsteuer (= Luxussteuer) auf Menstruationsprodukte gezahlt. Trotzdem natürlich ein “Hoch” auf die jetzigen 7%, aber lange genug hat's trotzdem gedauert. Aber auch Frankas Reisen durch verschiedene Nationen dieser Welt, in denen über das Thema Menstruation immer noch ein großer, dicker Schleier des Schweigens gebreitet wird und wo Franka mutige Aktivistinnen bei der Aufklärungsarbeit begleitet hat, war faszinierend. Es ist erschreckend, in wie vielen Gebieten dieser Welt Mädchen einfach nicht über die Vorgänge ihres Körpers aufgeklärt werden. Kein Wunder, dass diese dann in Panik verfallen, sobald sie plötzlich Blutflecken in ihren Kleidern entdecken und nicht wissen, was das zu bedeuten hat.


"Der Aberglaube, dass Frauen* während ihrer Tage eine schädliche Wirkung auf Lebensmittel, Gegenstände, Orte oder Lebewesen haben, existiert längst nicht nur in Pakistan." ("Periode ist politisch" - Franka Frei)

Auch die Darstellungen von Periodenblut in Popkultur und Medien sind Thema in Periode ist politisch. Wer hat nicht mindestens schon einen Film gesehen, in welchem Periodenblut in absolut unrealistischen Mengen (also = viel zu viel) aus der Frau herauszuschießen scheint? Oder wer hat nicht schon mindestens eine Binden- oder Tamponwerbung gesehen, in welcher das Periodenblut in vielen bunten Farben gezeigt wurde - außer in der tatsächlichen Farbe rot? In meiner Aufklärungsbroschüre aus der Schule damals war die Farbe ganz klassisch schlumpfblau. Ist ja auch ganz natürlich, dass einem Waschmittel zwischen den Beinen herausläuft … nicht. Sehr gefallen hat mir persönlich, dass Franka Frei sich nicht scheut davon zu berichten, wie das bei ihr damals so war, als sie ihre erste Periode bekam. Aber am allerbesten fand ich, dass sie überall und beinahe auf jeder Seite im Buch deutlich macht: Mädels und Frauen*, es gibt keinen Grund, euch für eure Menstruation zu schämen! Es ist ein ganz natürlicher Prozess (vielleicht der natürlichste überhaupt) und ihr könnt stolz auf eure Periode und auf euren Körper sein. Und wenn wir gemeinsam anpacken - Frauen* und Männer* - vielleicht schaffen wir’s irgendwann zu erreichen, dass der Periode endlich der normale Status zuerkannt wird, den sie verdient. Noch schöner wäre es, wenn wir schon dabei sind, wenn auch tatsächlichen Krankheiten wie der Endometriose endlich mehr Beachtung in der Forschung und entsprechend in Behandlungsmethoden zukommt. Prost! Wenn ihr übrigens eine coole Doku sehen wollt, die sich mit der Periode beschäftigt, können wir Stigma Monatsblutung (englischer Titel: Period. End of Sentence) empfehlen, die 2019 als Bester Dokumentar-Kurzfilm ausgezeichnet wurde. Ihr könnt sie auf Netflix anschauen.


Literarisches Feuerwerk?

Als journalistische Aufarbeitung von Geschichte, Kultur und dem politischen Geschehen rund um die Periode definitiv catchy und leicht zugänglich geschrieben, aber ohne dabei in einen trashy Jargon oder in einen zu belehrenden, akademischen Ton zu verfallen.


Stoff zum Nachdenken

Nachdem ich bereits vor ein paar Monaten Linda Scotts Das weibliche Kapital gelesen hatte, welches die weltweite wirtschaftliche Benachteiligung von Frauen* in allen Facetten aufarbeitet (und darlegt, wie ENORM die Wirtschaft jeden Landes davon profitieren würde, diese Benachteiligung auszugleichen, but well, DETAILS, ...), war ich dadurch bereits mit einigen wirklich erschütternden Situationen von Frauen* im Zusammenhang mit ihrer Periode vertraut, z.B. mit der Situation von Mädchen in einigen afrikanischen Ländern wie Kenia, wo Frauen ab dem Zeitpunkt ihrer Periode quasi als Freiwild gelten und sich daher nicht trauen, während der Zeit ihrer Periode in die Schule zu gehen, was - oh, Wunder - sie in ihrer Bildung beeinträchtigt. Aber noch mehr nachgegangen sind mir die Erzählungen von Frauen* bzw. Mädchen, die, wie z. B. in manchen Regionen Nepals, während ihrer Menstruation in speziellen Hütten außerhalb ihrer Gemeinschaft schlafen müssen. Sie sind ja schließlich “unrein”. So was kann sich echt nur ein Mann ausgedacht haben, der die Frau um ihre natürliche Gabe beneidet, Kinder in die Welt setzen zu können.


Bestes Geburtstagsgeschenk für …

… eigentlich alle. Für Frauen*, die menstruieren und sich noch nie mit der komplexen Geschichte der Menstruation auseinandergesetzt haben. Für Frauen*, die nicht menstruieren und die sich mit einer weiteren Geschichte von Ausgrenzung und Unterdrückung beschäftigen wollen. Und für alle Männer*, die sich mit den “Erdbeertagen” (was für ein absurder Begriff) ihrer Freundin oder Partnerin noch nie auseinandergesetzt haben und denen es definitiv nicht schaden würde, mehr über den Zyklus ihrer Partnerin zu lernen - sowohl aus anatomischer als auch aus kulturwissenschaftlicher Perspektive. Außerdem finde ich das Buch ein super Geschenk für junge Frauen*, die gerade erst ihre Periode bekommen haben oder noch nicht hatten, um sie an das Thema heranzuführen. Ich werde das Buch wohl meinem Patenkind schenken.


Happy Hour

Auf so einen gesüßten Tee, wie Franka ihn von einer der Menstruations-Aktivistinnen in Indien vorgesetzt bekam, hätte ich während der Lektüre auch Bock gehabt.


Zu dieser Lebenslage passt das Buch

Klingt banal, aber eben eigentlich zu jeder Lebenslage. Um sich mit der Periode, dem eigenen Zyklus und dem Körper generell zu beschäftigen, ist es nie zu spät und immer der richtige Zeitpunkt.


A little Bio never killed nobody

Franka Frei, Jahrgang 1995 und in Köln geboren, beschreibt sich auf ihrer Website so: “wurde quasi aus Versehen zur Expertin auf einem Gebiet, das sie seitdem nicht mehr loslässt”. Das Gebiet ist natürlich “die Periode” und ob aus Versehen oder nicht, setzt sie sich seit ihrer Bachelorarbeit in Angewandten Medienwissenschaften, welche die Grundlage für ihr Buch Periode ist politisch bildete, als Aktivistin, Autorin und Journalistin mit der (Ent-)Tabuisierung der Menstruation auseinander und für die Enttabuisierung ein. Zudem gibt sie Workshops und Lesungen und tritt bei Science Slams auf, natürlich immer mit dem Fokus, ihr Manifesto gegen das Menstruations-Tabu weiter in die Welt hinauszutragen. Boob Books ist übrigens Kooperationspartner einer Online-Lesung mit Franka Frei am 26. Februar, 19 Uhr. Anmeldung und weitere Infos hier.


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