"Krötensex" von Franka Frei
Aktualisiert: 6. Juli 2021

Worum geht’s?
Frieda ist Anfang 20 und in ihrem Leben laufen einige Dinge nicht so, wie sie sich das vorgestellt hat: Ihr vermeintliches Auslandsabenteuer in Amerika stellt sich als Reise in ein Provinzkaff in Sachsen heraus. Ihr WG-Mitbewohner Igel, in den sie heimlich verliebt ist, signalisiert ihr nicht im Geringsten Interesse an einer romantischen Beziehung. Und ihre Zwillingsschwester Freia ist sowieso in allem viel besser als Frieda: Sie ist hübscher (jedenfalls, aus Friedas Perspektive), sie ist erfolgreiche Öko-Influencerin und sie scheint genau zu wissen, was sie will. Dahingegen hat Frieda noch von nichts einen Plan, weder von Beruf, Beziehung oder von sich selbst. So stolpert sie von einer Zufallsbekanntschaft zur nächsten und hadert gleichzeitig mit der Frage, wie sie noch mehr wie Freia sein könnte, die ja ein so vollkommenes Leben zu führen scheint. Doch als Frieda mit ihrer Schwester verwechselt wird und ein attraktives Praktikum bei einem Fernsehsender bekommt, ändern sich die Dinge. Ganz ohne im Schatten ihrer Schwester zu stehen, kann Frieda sich ausprobieren und fährt Erfolge ein. Vielleicht ist sie ja doch ein Individuum? Aber wer könnte dieser Mensch sein? Als ob das nicht schon alles kompliziert genug wäre, sind da noch die Männer in Friedas Leben: Jesus, der spanische Startup-Gründer, Piet, der niederländische Kameramann und Degenhard aus Amerika und natürlich ihr Mitbewohner Igel … Krötensex ist ein laugh-out-loud-witziger Roman über das Erwachsenwerden, über das sich-Finden und über Individualität.
“Ich war es leid, so zu tun, als sei ich eine starke, selbstbewusste Frau, die genau wusste, was sie wollte. Woher sollte ich denn auch? Ich war doch gerade mal Anfang zwanzig und hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung.” (“Krötensex” - Franka Frei)
Gelesen auf: Deutsch
Nase zwischen den Seiten: 11 Abende
Seitenanzahl: 448
Preis: 12,99€ (D)
Erschienen im März 2021 beim Heyne Verlag
ISBN: 978-3453423329
Leseerlebnis
Krötensex hatte ich kurz nach Franka Freis Periode ist politisch gelesen, was ja ein Sachbuch ist. Daher war ich unterbewusst vor Krötensex ein bisschen gehemmt, weil ich dachte: Wie gut wird Franka wohl den Sprung vom Sachtext zum Roman schaffen? Alle Sorgen wurden zerstreut: Krötensex ist ein lustig-spritziger Text, durch den man flott durchkommt und sich entertained fühlt. Nichtsdestotrotz lässt Franka manchmal geschickt nebenbei Themen aus Periode ist politisch in Friedas Alltag einfließen. Also irgendwie ist trotzdem noch eine Brücke zwischen beiden Texten da.
Boobscore: 4 von 5 Boobs ( • ) ( • ) ( • ) ( • )
Krötensex ist einer dieser Texte, der implizit viele Female Empowerment-Aspekte aufgreift, aber bei denen es nicht in erster Linie um Feminismus geht. Erst mal ist Krötensex ein Coming-of-Age-Roman, der von Friedas Struggle mit dem Erwachsenwerden, ihrer Sexualität, ihrem Studium und dem ständigen Vergleich mit ihrer vermeintlich überlegenen Zwillingsschwester erzählt. Doch an all diesen Punkten haften auch ein bisschen (oder auch mal mehr) Emanzipationsgedanken und weibliche Selbstermächtigung. Beispielsweise dann, wenn Frieda den netten niederländischen Kameramann mit zu sich ins Hotelzimmer nimmt, aber mittendrin feststellt, dass sie eigentlich keinen Sex will und ihm das offen kommuniziert. Oder wenn Frieda für sich in verschiedenen sexuellen Beziehungen erkundet, welcher Partner ihr wirklich das Gefühl gibt, sie so schön und anziehend zu finden, wie sie ist – ohne Makeup und in Schlabber-Pyjama. Andere Themen, die so nebenbei vorkommen, sind beispielsweise Fragen nach Verhütung: wenn Frieda darüber reflektiert, dass es die Pille für den Mann doch schon längst gibt, aber immer noch Frauen die hauptsächliche Verantwortung in Sachen Verhütung wie selbstverständlich tragen. Die Frage nach Körperlichkeit und der (Un-)Zufriedenheit mit dem eigenen Körper wird auch immer wieder verhandelt, besonders zwischen Frieda und ihrer Schwester: Während Frieda immer zu viel zu sein scheint, ist Freia hingegen einfach nur perfekt. Frieda muss lernen, ihr eigener Mensch zu sein, unabhängig von ihrer Schwester und unabhängig von gesellschaftlichen Vorstellungen von Partnerschaften und Schönheitsidealen. Dieser Punkt ist eng mit dem Titel Krötensex verknüpft, aber hier will ich nichts verraten. Lest einfach selbst!
“‘Du benutzt IMMER NOCH Tampons? Ich hab dir doch ‘ne Tasse geschenkt! Weißt du, wie viel MÜLL durch Tampons entsteht?’” (“Krötensex” - Franka Frei)
Literarisches Feuerwerk?
Ursprünglich wollte ich mal schreiben: “Krötensex ist vom Stil her wie ein guter Biskuitteig – locker, leicht und süß.” Das fasst den Stil aber nur teilweise, weil “süß” nicht ganz oder nur teilweise trifft. Manchmal sind die Figuren radikal rotzig, unflätig und unbekümmert und die Metaphern irrsinnig komisch. Dazu fiel mir aber kein Kuchenteig-Vergleich ein, aber Clara aus unserer Social Media-Redation hat eine passende Idee: "Oger sind wie Zwiebeln. Wir haben Schichten." "Torten haben auch Schichten! Jeder mag doch Torten" :D (Zitat aus Shrek)
Stoff zum Nachdenken
Die Kategorie passt nicht wirklich zu diesem Text. Nicht, weil er nicht zum Reflektieren anregt, sondern weil ich Krötensex vor allem deswegen genossen habe, weil er nicht auf jeder Seite mit heavy Themen und harten Fakten um die Ecke kommt. Heißt: Ich konnte beim Lesen einfach loslassen, Spaß haben, mich in der WG der Figuren und auf den Parties in Amerika wohlfühlen. Mehr braucht’s manchmal nicht.
Bestes Geburtstagsgeschenk für…
… die Freundin Mitte/Ende 20, für deren Geburtstagsparty man immer noch kein Geschenk hat, weil einem einfach nichts einfällt. Krötensex ist ein super Geschenk-Tipp, weil sich garantiert jede*r darin ein bisschen wiederfindet.
Happy Hour
Bier oder billiger Wein vom Späti, Frieda-Style.
Zu dieser Lebenslage passt das Buch
Persönlich fand ich das Buch eine wunderbare Abwechslung zu all den Sachbüchern und wissenschaftlichen Texten, die ich im Alltag so lese. Krötensex macht durch seine Handlung und seine quirky Charaktere einfach nur Spaß und für mich war’s auch irgendwie eine nostalgische Reise in die Vergangenheit. So alt bin ich zwar noch nicht, aber die early twenties sind doch schon ein paar Jährchen her. :)
A little Bio never killed nobody
Franka Frei, Jahrgang 1995 und in Köln geboren, ist vor allem bekannt für ihr Manifesto gegen das Menstruations-Tabu, Periode ist Politisch von 2020. Durch ihre Bachelorarbeit kam sie zum Thema und engagiert sich seither als Aktivistin, Autorin und Journalistin für die (Ent-)Tabuisierung der Menstruation. Zudem gibt sie Workshops und Lesungen und tritt bei Science Slams auf. An Krötensex schrieb Franka schon seit Jahren; das Buch ist also quasi mit ihr durch die Zeit des Erwachsenwerdens gegangen. Sie schreibt selbst im Vorwort: “Krötensex ist ein Herzensprojekt, das mich seit Jahren begleitet. Kaum zu glauben, dass du es gerade in deinen Händen hältst. Puh.”
