Interview mit Erfolgsautorin Meg Wolitzer

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Im Oktober 2020 erschien Meg Wolitzers Roman Das ist dein Leben beim DuMont Buchverlag. Das Praktikantenteam von DuMont stellte für uns als Bloggerinnen von Boob Books den Kontakt zu der US-amerikanischen Autorin her, sodass wir sie zu ihrem Buch, zu ihren Charakteren und zu ihrem Beruf als Autorin interviewen konnten. Unsere Rezension zu Das ist dein Leben könnt ihr hier nachlesen.
Boob Books: Eine Frage, die Ihnen bislang wahrscheinlich jede*r im Interview zu dem Buch gestellt hat: Wie kamen Sie auf die Idee, über eine Mutter zu schreiben, die als erfolgreiche Komikerin arbeitet und dabei gleichzeitig zwei Töchter im Teenageralter großzieht?
Meg Wolitzer: Meine Mutter Hilma ist selbst Schriftstellerin (im Alter von 90 Jahren hat sie gerade ihre Kurzgeschichtensammlung verkauft und ihr letzter Roman erschien in Deutschland unter dem Titel Charmanter Mann aus Erstbesitz). Sie ist allerdings keine Comedienne, aber als Kind habe ich beobachtet, wie sie sich plötzlich veränderte - ihr Leben verwandelte sich plötzlich von dem einer Hausfrau in das aktive und belohnende Leben einer Schriftstellerin. Sie gab Lesungen, besuchte Konferenzen und wurde ein unabhängiges Individuum, unabhängig von meinem Vater, von meiner Schwester und von mir, während ihr Ruf als erfolgreiche Schriftstellerin wuchs. Durch die ich-zentrierte Brille eines Kindes begann ich zu verstehen, dass Eltern eine Existenz haben konnten, die sich nicht um ihre Kinder drehte, und dass Kinder nicht immer der zentrale Dreh- und Angelpunkt im Leben der Eltern sind. Und natürlich haben die Kinder umgekehrt ebenso ihre eigenen Leben unabhängig von dem ihrer Eltern. In Das ist dein Leben habe ich versucht zwei Schwestern zu erschaffen, deren Lebenserfahrungen vollständig unterschiedlich sind, obwohl sie in denselben Umständen aufwachsen.
Boob Books: Als Frau auf einer Bühne ist Dottie Engels eine absolute Ausnahme in der Welt der Komik. Warum haben Sie für Ihre Hauptfigur gerade diesen Beruf ausgewählt?
Meg Wolitzer: Ich liebe Comedy. Früher habe ich mir die Shows von Lucille Ball, Lily Tomlin, Carol Burnett und Gilda Radner angesehen - einige der besten US-amerikanischen Comediennes im Fernsehen. Ein Teil von mir wünscht sich immer noch, dass ich den Weg der Komikerin eingeschlagen hätte, denn mein Beruf als Schriftstellerin beschränkt sich hauptsächlich darauf, alleine in einem Raum zu sitzen (außer, wenn ich Lesungen gebe oder mit meiner Freundin Suzzy Roche, ehemalige Sängerin der Band The Roches, zusammen singe). Direkte Belohnung für das, was man tut, ist etwas, was Schriftsteller*innen nur selten für ihre Arbeit bekommen. Wenn man einen guten Satz schreibt, kann sich das manchmal toll anfühlen, aber letztendlich ist man in dem Moment seine eigene Leserschaft, bestehend aus einer Person, was ganz natürlich ist. Aber mir gefiel die Idee, in das Leben einer Person einzutauchen, die sich auf die Bühne stellt und live performed, sodass alle sie sehen und direkt darauf reagieren können.
Boob Books: Ein zentrales Element in “Das ist dein Leben” ist das Bild des weiblichen Körpers, sowohl von außen betrachtet als auch wahrgenommen durch sich selbst. Während Dottie ihren Körper aktiv in ihre Shows einbindet, wird der Körper fast schon zum Rückzugsort für ihre Tochter Erica. Warum ist der weibliche Körper so zentral für Ihr Buch? Und wie hat sich Ihrer Meinung nach das Bild des weiblichen Körpers seit den 1970ern bis heute verändert?
Meg Wolitzer: Über den weiblichen Körper zu schreiben hat mir die Möglichkeit gegeben, die Grenzen zwischen Konformität und Differenz zu erkunden, ebenso wie andere körperbezogene Themen wie Stolz, Sexismus, Selbstbewusstsein, Eitelkeit, Scham und Liebe. Die Kritik am weiblichen Körper hält sich hartnäckig, während Andere sich lautstark gegen diese Kräfte aufbäumen. Die Stimmen, die sich erheben, sind heute lauter als in den 1970ern, teilweise auch bedingt durch das Internet und durch die Veränderungen in der politischen Landschaft.
Boob Books: “Das ist dein Leben” erforscht auch das Paradox von weiblicher Identität. Zu Beginn des Buches ist Dottie eine Karrierefrau, aber im Gegenzug opferte sie die Zeit, die sie mit ihren Töchtern hätte verbringen können. Was war wichtig für Sie als Schriftstellerin, als sie diesen Spagat von Dottie im Buch konstruierten?
Meg Wolitzer: Dieses Konzept von “having it all”/ als Frau “alles gleichzeitig zu haben”, sowohl im beruflichen als auch im familiären Leben alles ausgeglichen zu haben, ist irgendwie unerträglich. Ich habe es immer so wahrgenommen, dass die höhere und vielleicht auch realistische Bestrebung eigentlich sein sollte, “manche guten Dinge zu haben, aber nicht notwendigerweise alle Dinge zur gleichen Zeit”. Ich wollte mit Dottie eine Frau erschaffen, die auf einmal eine erfolgreiche Karriere hat und in Folge mit anderen Aspekten ihres Lebens sozusagen abrechnen muss.
Boob Books: Sie haben Kreatives Schreiben studiert und ihren ersten Roman noch während Ihres Studiums veröffentlicht. Welchen Ratschlag würden Sie ambitionierten Schriftstellerinnen geben?
Meg Wolitzer: Macht euch keine Sorgen darüber, was andere Leute über euch denken werden. Seid die Schriftsteller*innen, die ihr wirklich sein wollt.
Boob Books: Was ist Ihr Lieblingsort zum Schreiben?
Meg Wolitzer: Ein Café in New York City. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem ich wieder mit meinem Laptop dahin zurückkehren und dort schreiben kann.