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Interview mit Autorin Corinna Mamok



Im März 2021 erschien Corinna Mamoks erstes Buch beim Knesebeck Verlag Mama, mutig, mittendrin. Der Titel beschreibt treffgenau, was das Buch will: Corinna hat mit über 30 Müttern gesprochen, die alle auf ganz verschiedene Weise Mutter sind, ihre Mutterrolle unterschiedlich leben und ganz individuelle Veränderungen durchlaufen haben - mental, körperlich, beruflich: von Mélissa, die Zwillinge hat und als systemische Coach Frauen* unterstützt, die in Deutschland ein neues Leben anfangen wollen, oder von Hannah, die stay-at-home-Mum von fünf Kindern ist und lange wenig Zeit für sich hatte. Ihre Gespräche hat Corinna, die als freiberufliche Fotografin arbeitet, mit Portraits der Mütter in ihrem Alltag bebildert. Zusätzlich gibt’s passend zum Thema nützliche Tipps, beispielsweise wie frau den Urlaub mit Kindern oder ihr Leben als Mutter und CEO gleichzeitig meistern kann. Kurz: In Mama, mutig, mittendrin geht es um Diversität von Mütterbildern. Jana von Boob Books hat Corinna zum Interview getroffen und mit ihr mit einem Kaffee in der Sonne über ihre Arbeit gesprochen. Janas erste Frage an Corinna war, woher sie die Idee zum Buch nahm.


Corinna Mamok:

Mit 25 wurde ich zum ersten Mal Mutter. Plötzlich hatte ich viele neue Fragezeichen in meinem Leben, auf die ich Antworten suchte. Ich war die erste in meinem Freundeskreis, die ein Baby bekommen hat und online habe ich immer nur diese perfekt inszenierten Profile gesehen, mit denen ich mich nicht identifizieren konnte. Überall sah man Mütter, die vor Glück übersprudelten. Während ich, ständig mit Flecken auf den Kleidern, die Langweile meines Lebens hatte. Denn vor der Kamera wurde stets dieses perfekte Mutter-Dasein inszeniert, das einfach nicht der Realität entspricht. Vor zwei Jahren hatte ich plötzlich dieses Kribbeln in mir, eine Idee, die umgesetzt werden wollte: Ich wollte unterschiedliche Mütterbilder zeigen, unterschiedliche Leben, ehrliche und offene Zeugnisse: So lebe, arbeite, liebe, trauere, leide, sorge ich als Mutter. Dass es ein Buch werden würde, war nie in Stein gemeißelt, sondern ergab sich im Prozess. Wichtig war mir nur, dass ich wusste, ich will andere Menschen für das Projekt begeistern!


Boob Books: Im Buch hast du mit über 30 unterschiedlichen Müttern* gesprochen, verschiedenen Alters, in verschiedenen Arbeits- und Partnerschaftssituationen. Wie bist du an die Mütter herangetreten?


Corinna Mamok:

Im Saarland, wo ich herkomme, gilt die Herangehensweise: Kennst du jemanden, der jemanden kennt? So bin ich zu einigen der Mütter gekommen. Zusätzlich habe ich einfach jedem* und jeder* von meinem Projekt erzählt: Freund*innen, Kolleg*innen auf der Arbeit, bei Weiterbildungen. Nur zum Schluss habe ich gezielt nach Müttern für spezielle Themen wie Adoption gesucht. Schlussendlich wurde daraus ein vielfältiges Mosaik mit den unterschiedlichsten Frauen*, von denen ich viele ohne das Projekt sicher nicht kennengelernt hätte.


Boob Books: Was willst du durch “Mama, Mutig, Mittendrin” bewegen?


Corinna Mamok: Wir alle haben veraltete Mütterbilder im Kopf, die innerhalb der letzten 100-150 Jahre entstanden sind: Mütter bleiben Zuhause und kümmern sich um die Kinder, kochen, sorgen für den Haushalt und sind dadurch vollkommen emotional und beruflich erfüllt. Gleichzeitig verspüren viele von uns auch den Drang, sich beruflich zu verwirklichen. Durch die Kombination dieser Bilder fühlen sich moderne Mütter ständig zerrissen zwischen all den beruflichen Möglichkeiten, die sie haben, und der Frage: Sollte ich nicht 100% zufrieden damit sein, Mutter zu sein? Durch Mama, mutig, mittendrin will ich zeigen, dass es nicht nur den einen Weg gibt, eine glückliche und gute Mama zu sein. Es gibt kein "richtig" und kein "falsch", sondern nur individuelle Geschichten. Das Buch soll dazu inspirieren, sich nicht verunsichern zu lassen und den eigenen Weg zu gehen. Mütter sollen sich nicht ständig damit quälen, ob sie das mit dem Mutterdasein jetzt richtig machen. Das Buch soll Mütter dazu inspirieren, mit sich im Reinen zu sein und für sich zu wissen: Ich mache das jetzt so, wie ich das selbst will und nicht so, wie die Gesellschaft mir das vorführt oder vorschreibt.


Boob Books: Das Buch ist ja durch eine Lücke entstanden, also dadurch, dass diverse Mütterbilder schlicht noch weitestgehend in Gesellschaft und in sozialen Medien unsichtbar sind. Wie würdest du dir die Darstellung von Müttern und ihrer Belange zukünftig wünschen?


Corinna Mamok:

Ich wünsche mir mehr offene und ehrliche Darstellungen. Als ich Mutter wurde, war ich sehr gespalten. Denn ich wollte unbedingt mehr wie eine Mama sein, aber wollte mir gleichzeitig nicht eingestehen, dass es in mir auch einen Wunsch nach mehr gab und gibt. Ich war mir sicher, Beruf und Family - das muss auch anders zusammengehen. Was für die eine Mutter funktioniert, kann für andere ganz anders klappen und genau diese verschiedenen Geschichten wollte ich erzählen.


Boob Books: Du hast, wie schon angesprochen, so viele verschiedene Geschichten von Müttern in “Mama, mutig, mittendrin” erzählt. Gab es darunter eine Situation, die dich besonders bewegt hat?


Corinna Mamok:

Es gab nicht die eine bewegende Geschichte. Jede Frau* hat mich auf ihre eigene Weise bewegt. Kasia, die Verlegerin vom Magazin emotion, hat beispielsweise viel bei mir ausgelöst, da sie mir aufgezeigt hat, wie schnell man in die negative Beurteilung anderer rutschen kann. Sie ist nach unseren gesellschaftlichen Normen spät Mama geworden, mit 46. Mich hat das viel zum Nachdenken gebracht: Warum müssen wir ihr überhaupt diesen Stempel aufdrücken “ist spät Mama geworden”? Während dem Gespräch mit Kasia wurde mir sehr bewusst wie anmaßend es ist, jemand in eine solche Kategorie zu stecken. Denn "spät" suggeriert auch irgendwo, dass es "nicht der richtige Zeitpunkt" war. Und wir wissen eigentlich alle, dass es diesen überhaupt nicht gibt.


Auch sehr beeindruckt hat mich Claudia, die ein behindertes Kind adoptiert hat. Diese bewusste Entscheidung, die mütterliche Liebe auf diese Weise zu verteilen, fand ich begeisternd und inspirierend. Letztendlich hat mir jede Mama in meinem Buch ein eigenes Puzzlestück mitgegeben, die am Schluss ein großes, ganzes Buch ergeben haben.


Boob Books: Im Buch geht es auch um Tabuthemen rund ums Mutterdasein, beispielsweise, wie sich der Körper einer Mutter durch Schwangerschaft und Geburt verändert. Mit welchen Tabus müssen wir hier gesellschaftlich noch kräftig aufräumen?


Corinna Mamok:

Grundsätzlich müssen wir anfangen, ehrlich darüber zu sprechen, dass der Körper einer Frau sich durch Geburt und die Zeit der Schwangerschaft verändert und dass es auch hier ganz diverse Formen gibt. Sprich: Nicht jede Frau* hat die gleichen körperlichen Veränderungen nach der Schwangerschaft. Doch Frauen* fühlen sich alleine mit dem Thema, da wir gesellschaftlich immer noch an völlig überholten Schönheitsidealen haften.


Nach meiner ersten Geburt hat der Arzt im Krankenhaus für mich bewusst oder unbewusst entschieden, optische Verschönerungen vorzunehmen und hat mich im wahrsten Sinne des Wortes zugenäht. Danach war Geschlechtsverkehr schlicht nicht mehr möglich. Als ich um Rat fragte, meinte meine Frauenärztin zu mir: Da müssen Sie sich dran gewöhnen. Damals war ich 25, verheiratet, hatte gerade ein Kind zur Welt gebracht und beschlossen: Nein, ich werde mich verdammt noch mal nicht daran gewöhnen! Ich habe mir einen neuen Frauenarzt gesucht, der mir weitergeholfen hat. Oder sprechen wir über das Thema Brüste: Durch meine zwei Schwangerschaften und das Stillen sind meine Brüste viel zwischen kleiner und größer gewechselt, also sie sind nicht mehr so fest. Früher habe ich deshalb immer Push-ups getragen, um irgendwelchen Idealen gerecht zu werden. Inzwischen habe ich beschlossen: Ich ziehe keinen BH mehr an. Die Welt muss sich mit meinen Brüsten abfinden. Punkt.


Boob Books: Im Buch fokussierst du dich hauptsächlich auf die Mütter. Aber spannend ist natürlich auch die Frage nach den Vätern, da sie das Mutterbild und das Mutterdasein mit prägen und beeinflussen. Hast du innerhalb deines Buches auch mit Vätern gesprochen?


Corinna Mamok:

Natürlich habe ich viel mit meinem Mann über das Buch und die Themen darin gesprochen. Ein Kind verändert auch die Partnerschaft, das Miteinander, das Sexualleben. Wobei Veränderungen in diesem Zusammenhang nie positiv oder negativ sind, es ist eben nur anders. Und das Buch hat ebenfalls viel in mir verändert. Ich habe gemerkt, wie ich mich durch das Schreiben und Recherchieren emanzipiert habe. Ich bin sozusagen mit dem Buch gewachsen. Bei zwei Interviews mit Müttern waren auch die Väter dabei. Noura führt mit ihrem Mann eine komplett gleichberechtigte Beziehung. In dem Fall hieß das: Das Paar wollte Kinder und für ihn stand fest, dass er derjenige sein würde, der Zuhause mit den Kindern bleibt. Bei uns Zuhause ist es inzwischen so, dass mein Mann sagt: Irgendwann wirst du uns finanziell komplett alleine tragen, dann werde ich Hausmann. Das Buch hat also auch einiges bei ihm bewegt.


Boob Books: Ein tolles Projekt, was vom Schreiben her natürlich abgeschlossen ist. Arbeitest du schon an einer neuen Idee?


Corinna Mamok:

Vor einiger Zeit hatte ich wieder dieses Kribbeln in mir. Aber im Moment ist die Idee noch nicht reif genug, um darüber zu sprechen. Wie ein Kind muss sie quasi erst wachsen, bevor ich sie nach außen tragen kann. Aber: dranbleiben!

Zu Corinna Mamok:

Corinna Mamok, gebürtige Saarländerin, ist selbstständige Fotografin, Autorin und zweifache Mutter. Ihre Geschichten erzählt sie am liebsten durch die Kombination aus Text und Bild. Zu ihren Themen zählen Familie, das Dasein als Mutter, zwischenmenschliche Beziehungen und die achtsame und selbstreflektierte Beziehung zu sich selbst. Auf Boob Books hat sie außerdem die Rezension zu Resha Saujanis Mutig, nicht perfekt geschrieben.





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