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"His Only Wife" von Peace Adzo Medie

Aktualisiert: 22. Juli 2021


Worum geht’s?

Afi Tekple ist eine junge ghanaische Schneiderin aus der Stadt Ho. Seit dem Tod ihres Vaters lebt sie zusammen mit ihrer Mutter bei einer der Ehefrauen ihres Onkels Pious und deren Kindern. Afi erhält von einer reichen Unternehmerin – welche alle nur Aunty nennen – die Möglichkeit, deren wohlhabenden Sohn Elikem Ganyo zu heiraten. Diesen Geschäftsmann kennt Afi nur vom Sehen, dennoch ist die Freude groß, da Afi dadurch der ganzen Familie zu mehr Rang und Geld verhelfen kann. Doch das Angebot kommt nicht ohne Grund: Elis Mutter widerspricht dessen Beziehung zu einer liberianischen Frau und möchte ihren Sohn durch eine Heirat mit der attraktiven Afi zur Beendigung dieser Beziehung bringen. Die Hochzeit zwischen Afi und Eli läuft ebenfalls eher ungewöhnlich ab – nämlich ohne den Bräutigam. So bekommt Afi stellvertretend durch Elis Bruder den Ehering angesteckt.


Auch den Weg nach Accra, der Hauptstadt Ghanas, muss Afi ohne Eli beschreiten. Zunächst überwältigt von dem Glanz und Glitzer in ihrem neuen Zuhause realisiert die junge Frau jedoch schnell, dass ihre Ehe alles andere als gedacht abläuft. In den ersten Wochen lässt sich ihr Ehemann wieder nicht blicken. Als sie sich dann doch kennenlernen, zieht Afi nicht in Elis Haus, sondern wird von Eli nur in ihrer separaten Wohnung besucht. Afi wird immer skeptischer, worauf sie die Ganyos allerdings nur weiter vertrösten. Im Laufe des Buches jedoch entwickelt sich Afi immer mehr zu einer selbstständigen und selbstbewussten Frau, die mehr und mehr eine eigene Zukunft für sich entdeckt. So beginnt sie, ihre Leidenschaft für das Nähen zu professionalisieren und widerspricht sogar wiederholt der strengen Aunty.

“Elikem married me in absentia; he did not come to our wedding.’” ("His Only Wife" - Peace Adzo Medie)

Gelesen auf: Englisch

Nase zwischen den Seiten: 11 Abende (aber auch locker in kürzerer Zeit möglich)

Seitenanzahl: 278

Preis: ca. 14,99€ (D)

Erschienen im Januar 2021 bei Oneworld Publications

ISBN: 978-0-86154-072-3

Tipps & Tits

Die Autorin Peace Adzo Medie zeigt uns Ghana, die Kultur des Landes und die große soziale Kluft aus detailreichen Blickwinkeln. Man lernt verschiedene Aspekte kennen, die Frauen* dort direkt betreffen: die traditionelle Hochzeit ohne Papiere, Polygamie, den großen Einfluss der vielen Onkel und Tanten, die enge Verstrickung von Geld und Heirat, oder die Unselbstständigkeit von Männern wie Eli – um nur einige zu nennen. Aufgrund meines deutschen Hintergrunds fällt es mir natürlich schwer, die Validität der Erzählung zu beurteilen, dennoch glaube ich, durch Medie mehr über ein Land gelernt zu haben, welches im westlichen Narrativ doch eher weniger eine Rolle spielt.


Es sollte allerdings angemerkt werden: Einige Wörter, die Medie in Originalsprache verwendet, fielen mir etwas schwer zu übersetzen, aber dies hat – für mich – das Verständnis nicht weiter gestört.

Boobscore: 4 von 5 Boobs ( • ) ( • ) ( • ) ( • )

His Only Wife ist kein prototypischer feministischer Roman, sondern vielmehr ein Porträt von vielen auf ihre eigene Weise starken Frauen. Deshalb würde ich für 4 von 5 plädieren, auch um Afi zu „würdigen“, welche im Laufe der Geschichte beginnt, immer weiter zu wachsen bis sie Eli schlussendlich – moralisch – überragt. So bleibt Afi ihren Werten trotz wiederholter Manipulationsversuche von den Ganyos treu, steht für sich ein und baut sich eine eigene Zukunft auf, die möglichst unabhängig von Eli sein soll.

Literarisches Feuerwerk?

Aber Hallo! Medie spielt mit unterschiedlichen Erzählgeschwindigkeiten, die wunderbar zur Handlung passen. Kurz nach der Hochzeit ist Afis Leben nach einem Peak wieder auf einem eintönigen, schleppenden Niveau angekommen, da sie ihre Zeit vor allem mit dem Warten auf Eli verbringt. Doch als dieser schließlich in ihr Leben tritt, nimmt die Geschichte an Fahrt auf. So ist vor allem Afis Gefühlsleben wie ein Hochgeschwindigkeitszug, der immer wieder durch Berge und Täler fährt. Gerade als sie immer stärker für sich selbst in ihrer Ehe einsteht, nimmt das Tempo zu. Man klebt förmlich an den Seiten, um bloß herauszufinden, wie es denn wohl weitergeht!


I was a married woman, who since her wedding day more than two months ago, had only seen her husband, who lived fifteen minutes away, once.” ("His Only Wife" - Peace Adzo Medie)

Stoff zum Nachdenken

Inklusiver Feminismus – gerade in der westlichen Welt haben wir häufig einen „Girl Boss“-Feminismus, der nicht für alle Frauen* Realität und/oder erstrebenswert sein muss. Afis Geschichte regt zum Nachdenken darüber an, dass Feminismus in verschiedenen Kulturen unterschiedlich aussehen und zudem limitiert sein kann.


Auch habe ich viel über die Rolle von Afi als Ehefrau nachgedacht – gerade im ersten Teil des Buches ist sie „nichts“ außer der Ehefrau eines reichen Mannes, der mehr Zeit mit seiner anderen Freundin und ihrem gemeinsamen Kind als mit Afi verbringt. Aus einem westlichen Blickwinkel ist es leicht zu sagen: „Trenn dich doch, wenn dein Ehemann sich untreu verhält und dich nur als zweite Wahl betrachtet.“ Afis Situation frustriert einen selbst schnell beim Lesen, aber gerade von einem privilegierten Hintergrund aus – wie meinem – sollte man sich bewusst werden: Wir lesen hier keine „klassische“ Story von einer jungen Frau, die sich mit Kraft und Beharrlichkeit aus den Fesseln ihrer gesellschaftlich zugeschriebenen Rolle befreit.


Man erkennt eher, dass Afi Stück für Stück realisiert, dass sie selbst Träume haben kann und somit immer mehr für sich einsteht. Allerdings gibt es dabei keine klare Zielsetzung, es ist vielmehr ein Prozess, der dadurch auch umso realistischer erscheint! Afi erlebt Ups und Downs. Mal steht sie mit beeindruckender Stärke gegen die allmächtige Aunty auf und beschwert sich über ihre passive Ehe.


You can go and tell Aunty. If he wants me back, he should get rid of that woman. “ ("His Only Wife" - Peace Adzo Medie)

Auch die Geschichte von Muna, der Partnerin von Eli, auf die häufig bezeichnenderweise nur als „the woman“ verwiesen wird, ist eindrücklich: Man beginnt am Anfang des Buches, Muna sehr negativ zu sehen, gerade weil sie von den Ganyos permanent schlecht geredet wird, da sie sich nicht den Regeln des Familienclans (allen voran Aunty) unterordnet. Doch am Ende des Buches kommt die Klarheit: Muna ist genauso wie Afi eine Frau, die sich auf ihre Weise durch die Hindernisse windet, die sich ihr stellen.

Bestes Geburtstagsgeschenk für …

… interkulturell interessierte Freund*innen, am besten welche, mit denen man sich gern über gesellschaftspolitische Themen austauscht – bei mir hat das Buch auf jeden Fall Redebedarf ausgelöst! Aber hier können auch humoraffine Leseratten ihr Fett wegbekommen: das Zitat einer Rezension auf dem Buchrücken beschreibt es perfekt: „A Crazy Rich Asians for West Africa, with a healthy splash of feminism“ – Kirkus.

Happy Hour

Cosmopolitan (trinkt Afi), auch um sich etwas in den (abstrusen) Luxus der Ganyos hineinzuversetzen. Gern mit Essen aus Ghana. Mir lief beim Lesen häufig das Wasser im Mund zusammen, wenn Afi und ihre Mutter gekocht haben!

Zu dieser Lebenslage passt das Buch

Das Buch ist gleichzeitig locker & bewegend und mit einer geballten Ladung von Emotionen versehen. Es passt deshalb meiner Meinung nach eigentlich immer: Gefühle + starke Frauen + Einblicke über den White-privilege-Tellerrand hinaus – wann brauchen wir diese Kombi nicht?

A little Bio never killed nobody

Peace Adzo Medie ist eine in Liberia geborene ghanaische Schriftstellerin und Dozentin für „Gender and International Politics“ an der University of Bristol. His Only Wife ist ihr erster Roman. Zudem ist sie Autorin des Buches Global Norms and Local Action: The Campaigns to End Violence against Women in Africa (Oxford University Press, 2020). Fun Fact: Medies Urgroßmutter kommt aus Ho und war dort an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt.

Dieser Beitrag ist von unserer Gastbloggerin Vivian. Das sagt Vivian über sich:

Schon von klein auf habe ich liebend gern gelesen. Vor ca. zwei Jahren – vor allem vermehrt nach dem tragischen Schicksal George Floyds und den vielen weiteren vor und nach ihm – habe ich versucht, mich literarisch zu diversifizieren und nicht nur westliche, weiße Autor*innen zu lesen, sondern möglichst einen Eindruck von vielen verschiedenen Stimmen zu erhalten. Deswegen hat mich auch Boob Books so begeistert, da hier darauf viel Wert gelegt wird!



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