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"Miroloi" von Karen Köhler

Aktualisiert: 3. Juni 2020



Worum geht’s?

In Miroloi lehnt sich eine junge Frau gegen die existierenden Strukturen ihrer Umgebung auf. Sie lebt auf der Insel "Schöne Insel" im Dorf "Schönes Dorf". Die Ich-Erzählerin trägt keinen Namen, denn sie ist ein Findelkind und ein Findelkind zu sein bedeutet auf dieser Insel, keinen Namen tragen zu dürfen. Die LeserIn begleitet die junge Frau durch ihren Alltag in ‘Schönes Dorf’, die beim “Betvater” des Dorfes wohnt. Den kann man sich ungefähr wie einen Pastor vorstellen. Er ist auch derjenige, der sie vor den Ungerechtigkeiten des Dorfes beschützt. Denn aufgrund ihrer fehlenden Familienhistorie, gehört sie nicht wirklich zur Dorfgemeinschaft. Spott und Ausgrenzung gehören zu ihrem Alltag.


Richtig, ‘Schönes Dorf’ ist irgendwie alles andere als schön. Es bestehen klare Strukturen und Gesetze, nach denen Frauen nichts zu sagen haben und das männliche Geschlecht über ziemlich alles entscheidet (sounds familiar …? Oh well …) Lesen dürfen nur Männer, Kochen nur Frauen. Religiöse Rituale sind für die BewohnerInnen genauso wichtig wie Ernte-Feierlichkeiten und die täglichen Nachrichten, die sogar live im Dorfzentrum verlesen werden. Hält man sich nicht an Regeln, wird man an den Pfahl im Dorfzentrum gestellt und ist der Häme der BewohnerInnen ausgesetzt. Fortschritt wird als Gefahr gesehen. Gefahr für die scheinbar funktionierenden Strukturen. Die Frage ist nur: Für wen genau funktionierend? Im Laufe der Zeit fängt die junge Frau an, Umstände und Gegebenheiten infrage zu stellen. Die Antworten, die sie findet, sind jedoch nie wirklich überzeugend und so beginnt sie, sich langsam und leise gegen das System aufzulehnen um aus ihm auszubrechen. 


Das Buch ist in Strophen und nicht in Kapitel unterteilt. Unsere Ich-Erzählerin singt nämlich, denn als Frau zu sprechen schickt sich nicht. Es ist eine Dystopie, die irgendwie verdammt nah an dem dran ist, was Frauen auf der ganzen Welt tagtäglich erleben müssen. Warum dürfen Frauen nicht dies? Warum nicht jenes? Irgendeinen Grund für die Unterdrückung findet das patriarchalische System dann doch immer. 


Trotz der überaus wichtigen Thematik fühlt sich dieses Buch an wie ein Marathonlauf. Zwar bin ich selber noch nie einen Marathon gelaufen (god bless), aber ungefähr so stell ich ihn mir vor. Langatmig und anstrengend. Die Idee ist prinzipiell nicht schlecht, allerdings hätten 200 Seiten gereicht um die Story zu erzählen. Seitenlange Beschreibungen von dörflichen Ritualen und Festivitäten, so wie langsame Entwicklungen (if at all) machen das Buch zu einer Schildkrötenreise. 


Gelesen auf: Deutsch

Seitenanzahl: 463

Nase zwischen den Seiten: 7 Abende 

Preis: 24 € (D)

Erschienen im August 2019 im Hanser Verlag

ISBN: 978-3446261716


Tipps & Tits

Uff. Euch sei es verziehen, wenn ihr bei Seite 150 aufhört zu lesen (hätte ich nämlich auch echt gerne getan). 


“Es soll sich so wenig verändern wie möglich. Was stabil ist, sagen sie, das hält. Und wenn etwas hält, sagen sie, dann hält es auch etwas aus.” ('Miroloi' - Karen Köhler)

Boobscore: 2 von 5 Boobs ( • ) ( • ) 

Gender Normen und Missstände kommen in diesem Roman nicht zu kurz. Das Buch thematisiert die ungerechte Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau sowie die Engstirnigkeit von Menschen, die nach dem Motto “Ist halt so weil ist halt so” leben. Es adressiert häusliche Gewalt, sexuellen Missbrauch und auch Homosexualität in einer Gesellschaft, in der das Letztere garantiert nicht vorgesehen ist. Die Unterwerfung der Frau wird gerechtfertigt durch Tradition und Religion; Regeländerungen werden von Männern für das gesamte Dorf beschlossen (z. B. die Kopftuch- und Mundbindenpflicht). Männer scheinen in diesem Dorf generell davor Angst zu haben, dass sich etwas am Status quo ändern könnte. Mir ist die ganze Geschichte trotzdem etwas zu kurz gedacht. Es ist eine Dystopie nach dem Rezept von Margaret Atwood, jedoch mit den falschen Zutaten. Missstände sind nicht geschickt eingearbeitet, sondern werden LeserInnen einfach vor den Latz geknallt. Idee definitiv fünf Boobs, Umsetzung aber leider eher zwei. 


Literarisches Feuerwerk? 

Miroloi ist definitiv kein literarisches Feuerwerk - leider. Wie schon zuvor erwähnt, hat der Stoff Potenzial und wie sich ab und zu erkennen lässt - auch die Autorin. Die Liebes- und Sexszenen jedoch lassen einen massiv cringen und können eigentlich nur dazu führen, dass man das Buch zuklappt. 


Stoff zum Nachdenken

Ein weiteres Problem des Romans! Miroloi greift wichtige Themen auf, schafft es jedoch nicht LeserInnen anzuregen die Problematik weiterzudenken. Es nimmt die Umstände aus der Realität und transferiert sie auf eine fiktionale Welt. Auch wenn ich es im Deutschunterricht hasste, habe ich mich hier gefragt: Was will uns die Autorin damit nun sagen? 


“Ich ziehe ihn vorsichtig mit zittrigen Fingern aus, und er lässt mich, Schicht um Schicht, bis er ganz nackt vor mir liegt. Pochend, verletzlich, offen. So viel Haut. So viel du.” ('Miroloi' - Karen Köhler)

Bestes Geburtstagsgeschenk für ...

… Menschen, die sich noch nie mit Frauenrechten beschäftigt haben? Solche soll es ja geben. Ich könnte mir vorstellen, dass das ein netter Einstieg in die Thematik sein kann (aber ganz großes MAYBE, Leute). 


Happy Hour

Vodka Shot here and there. Zum Runterspülen der unglaublich cringy Liebesszenen.  


Zu dieser Lebenslage passt das Buch

Wenn alle Buchläden geschlossen sind und ihr nichts bei Amazon bestellen mögt, ihr dieses Buch aber irgendwo im Regal stehen habt, gerne mal anschauen. 


A little Bio never killed nobody 

Karen Köhler wollte Kosmonautin werden, hat sich dann aber doch für Schauspielerei entschieden. Nun ist sie Autorin und lebt in Hamburg. Auf ihrer Website findet man allerlei interessante Infos über sie. Zum Beispiel, dass sie gerne in einer Pogo-Synchronschwimmgruppe mitmachen würde und dass sie ganze zwei Mal an Windpocken erkrankt ist!



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