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“Die Gespenster von Demmin” von Verena Keßler



Worum geht’s?

Larry will eigentlich nur eines: erfolgreiche Kriegsreporterin werden. Um sich auf diesen herausfordernden Job auch entsprechend vorzubereiten, übt die Neuntklässlerin schon jetzt sehr fleißig. Ihr Trainingsplan umfasst in erster Linie Übungen, die sie auf mögliche Kidnapping-Situationen vorbereiten sollen, in denen sie dann möglicherweise gefoltert werden könnte. Waterboarding steht genauso auf dem Stundenplan wie kopfüber am Baum hängen. Larry ist nicht crazy, sie will nur gut vorbereitet sein und nimmt ihren Berufswunsch eben außerordentlich ernst. Beim nachmittäglichen “Im-Garten-Abhängen” beobachtet sie gelegentlich eine alte, vereinsamte Dame, die im Nachbarhaus residiert. Nur selten empfängt diese Besuch von Sohn und Enkelkind.

Auf den ersten Blick scheint Larrys Leben wenig mit dem der alten Dame zu tun zu haben. Trotzdem erzählt der Roman die Geschichte von Larry und der älteren Nachbarin abwechselnd. Dabei erfährt man nicht nur mehr über die beiden Protagonistinnen, sondern eben auch über die Geschichte Demmins, einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern. Auch wenn Demmin der langweiligste Ort auf der Welt zu sein scheint, verbirgt sich hier eine ungeheure Geschichte. Denn Demmin wurde nach Ende des 2. Weltkrieges von einer riesigen Selbstmordwelle erschüttert, während der sich Hunderte von Menschen das Leben nahmen. Bis heute zählt diese zu einer der größten nach Ende des Hitler-Regimes.

Der Roman ist wundervoll ehrlich verfasst und fängt den jungen Spirit einer 15-jährigen ebenso gut wie die Lebensmüdigkeit einer älteren Dame ein. Auch wenn die beiden Geschichten der Romanheldinnen kaum Schnittpunkte haben, wirken sie doch miteinander verwoben. So adressiert das Buch eben nicht nur Zwischenmenschliches, sondern auch Geschichtliches und zeigt die unmögliche Trennung beider Komponenten auf.

Gelesen auf: Deutsch als Rezensionsexemplar

Nase zwischen den Seiten: 2 Nachmittage

Seitenanzahl: 240

Preis: 22,00€ (D)

Erschienen im August 2020 bei Hanser Berlin

ISBN: 978-3-446-26872-2

Tipps & Tits

No Big Tipps & Tits. Buch auf und Herz an!

Boobscore: 2 von 5 Boobs ( • ) ( • )

Gerne hätte ich diesem Buch unendlich viele Boobs gegeben. Mir hat es nämlich wirklich gut gefallen. Trotzdem muss ich sagen, dass der Roman weniger Boobscore-Themen anspricht, was auch völlig in Ordnung ist! Wie schon oft betont: Wir wollen tolle Autorinnen und Heldinnen abfeiern und nicht nur feministische Meisterinnenschriften (obwohl die natürlich auch hammi sind). Warum es trotzdem zwei Boobs gibt? Larry ist für mich eine selbstbewusste junge Romanheldin, die weiß, wohin sie will und die sich nichts gefallen lässt. Dass ihr Job ihre Prio ist und eben nicht ihr Liebesleben (obwohl Letzteres auch eine Rolle spielt), finde ich megaklasse!

Literarisches Feuerwerk?

EIN KLARES JA HIER! Die Gespenster von Demmin ist für mich ein literarisches Highlight. Wie schon erwähnt schafft Verena Keßler es, die sehr schwere Geschichte Demmins in einer Art zu erzählen, die einen nicht komplett runterzieht. Heavy Story wechselt sich ab mit Teenager-Krise und das untermalt von einem brillanten literarischen Schreibstil. Hurray!

Stoff zum Nachdenken

Don’t judge me, aber ich wusste von der Selbstmordwelle Demmins nichts. Um ehrlich zu sein, musste ich erst mal googeln, wo Demmin überhaupt liegt. Immer wieder werden wir mit der Geschichte Deutschlands konfrontiert, jedoch eben oft im Geschichtsunterricht, wo es im Worst Case darum geht, Daten auswendig zu lernen. Meiner Meinung nach wird viel zu selten das transgenerationelle Trauma unserer Gesellschaft thematisiert, das immer noch einen Einfluss darauf nimmt, wie wir heute leben und miteinander umgehen.

Bestes Geburtstagsgeschenk für …

… gute Freunde, ob Boys* oder Girls*. Wenn ihr einen Treffer landen wollt, no matter what, dann verschenkt Die Gespenster von Demmin. Falls eure FreundInnen dann auch noch History Geeks sind und Literatur lieben, werden sie euch Luftküsse zu senden (AHA-Regeln einhalten!!!)

Happy Hour

Ein Teechen. Ich las die Hälfte des Buches am Sonntagnachmittag und es passte einfach gut in die Mood!

Zu dieser Lebenslage passt das Buch

Ich würde sagen, wenn ihr was Leichtes und Schweres zugleich wollt. Also nicht über- und nicht unterfordernd. Vielleicht für den Herbsturlaub? Sonst auch an gemütlichen Sonntagen auf dem heimischen Sofa!

A little Bio never killed nobody

Verena Keßler ist ‘ne richtige Hamburger Deern! Zumindest wurde sie dort 1988 geboren. Später zog sie nach Leipzig, wo sie am Literaturinstitut studierte. Keßler ist eigentlich in der Werbebranche heimisch und arbeitet immer noch freiberuflich für verschiedene Unternehmen. Und so nebenbei macht sie noch hammercoole Projekte wie z. B. einen Abreißkalender für die ersten 100 Tage Liebeskummer. Wenn man dieses Buch ausgelesen hat, braucht man so einen auf jeden Fall, denn es zu beenden ist einfach absoluter Heartbreak!



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