"Butter" von Asako Yuzuki

Worum geht’s?
In Tokio will die Journalistin Rika zur Redakteurin aufsteigen, einem angesehenen Beruf. Für Frauen* ist er in Japan nicht leicht zu erreichen, denn oft grätscht ihnen Familien- und Kinderplanung dazwischen. Doch Rika hat einen Plan: Sie will sich ein Exklusiv-Interview mit der vermeintlichen Serienmörderin Manako Kajii ergattern. Vier Männer, mit denen Kajii eine Beziehung führte, sind tot und Kajii steht unter dem Verdacht, die zuvor alleinstehenden Männer mit ihren Koch- und Liebeskünsten von sich abhängig gemacht und sie damit in den Tod getrieben zu haben.
Rika selbst versteht nichts vom Kochen, doch um an Kajii heranzukommen und eine Bindung zu ihr aufzubauen, gibt ihr ihre beste Freundin Reiko einen Rat, der einschlägt: Frag’ Kajii nach einem Rezept! Bald befindet sich auch Rika in Kajiis Sog, in dem sie sich nicht nur in die unbekannten Gefilde des Kochens und den vielfältigen Geschmacks-Variationen von Butter vorwagen muss. Sie muss sich auch den sozialen Vorbehalten Japans gegen alleinstehende Frauen stellen, die Karriere machen wollen und sich nicht manisch um ihr eigenes Gewicht kümmern - eine Schande im Blick des öffentlichen Auges. Das Buch bleibt spannend bis zum Ende: Kann Rika sich aus Kajiis Einfluss befreien und Einklang mit ihrem Körper finden? Werden wir erfahren, ob Kajii die Männer wirklich getötet hat?
“Rika hatte sich noch nie sonderlich viel aus Rezepten, Mode und anderen Dingen gemacht, die als typisch weiblich galten. Allerdings fürchtete sie, wegen ihrer Größe grobschlächtig zu wirken, und achtete darauf, nicht über fünzig Kilo zu wiegen.” (Asako Yuzuki - “Butter”)
Gelesen auf: Deutsch
Nase zwischen den Seiten: 9 Tage
Seitenanzahl: 442
Preis: 23,00€ (D)
Erschienen im Februar 2022 bei Blumenbar (Aufbau-Verlage)
ISBN: 978-3351050986
Leseerlebnis:
Asako Yuzukis Sprache lässt jedes im Roman beschriebene Gericht und jede Zutat lebendig werden. Beim Lesen schmeckt man die heiß aufgebrühte Ramen, den Soja-Reis mit zerschmelzender Butter und den glasierten Truthahn förmlich auf der Zunge. Ein Buch, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenläuft, und das gleichzeitig dazu aufruft, sich um gesellschaftliche Vorgaben für weibliche Körperformen keine Gedanken zu machen. Lieber das Essen genießen und einen extra Löffel Butter auf alles tun! (Bloß keine Margarine!)
Boobscore: 4 von 5 Boobs ( • ) ( • ) ( • ) ( • )
Butter greift viele feministische Fragestellungen auf: Das weibliche Schönheitsideal ist ein Thema, das sich durch die Seiten zieht. Rika und Reiko kontrollieren zu Beginn des Romans akribisch ihr Gewicht. Doch als Rika beginnt, die Gerichte nachzukochen, die Manako Kajii auf ihrem Food-Blog veröffentlichte, um so das Vertrauen der vermeintlichen Mörderin zu gewinnen, nimmt Rika zu - und die Zuneigung ihres Liebhabers und der Respekt ihrer Kolleg*innen zunächst scheinbar ab. Gewichtszunahme für Frauen* außerhalb der Schwangerschaft ist ein absolutes Tabu, das im Buch clevererweise auch durch die Figur der Serienmörderin selbst auf den Kopf gestellt wird. Die ist nämlich übergewichtig, aber mit ihren Rundungen völlig im Reinen. Gutes Essen und die Tatsache, es hemmungslos genießen zu können, ist Manako Kajiis Idee von Sinnlichkeit und Liebe.
Kajii selbst behauptet, Feministinnen zu verachten. Sie hat sich zur Lebensaufgabe gemacht, sich um alleinstehende Männer* zu kümmern, die nicht für sich selbst sorgen können - aus ihrer Sicht die einzig wahre Rolle für jede Frau*. Währenddessen versucht Rika sich als unverheiratete Journalistin einen Namen zu machen, arbeitet ununterbrochen und vernachlässigt ihre sozialen Beziehungen für den Aufstieg. Und Reiko ist bemüht, sich in ihrer neuen Position als Ehefrau zurechtzufinden, in der sie kochen und für ihren Mann sorgen und idealerweise ein Kind großziehen soll. Die weiblichen* Figuren in Butter zeigen durch ihre individuellen Probleme die vielfältigen Herausforderungen für Frauen* in Japan auf und stimmen einen nachdenklich, welche Ungleichheiten noch zu bewältigen sind. Mir jedenfalls fiel es schwer, durchgehend immer denselben Figuren zu sympathisieren, denn alle Struggles schienen gleichermaßen wichtig.
“Aber Kajii kochte nur, was sie selbst essen wollte und wann sie es wollte. Der Gesundheitszustand oder die Vorlieben ihrer Männer kümmerte sie nicht. Deshalb war sie eine so verteufelt gute Köchin. Sie genoss den Akt des Kochens an sich so sehr, dass sie keine Grenzen kannte.” (Asako Yuzuki - “Butter”)
Literarisches Feuerwerk?
Absolut! Zwar fühlt sich Asako Yuzukis Schreibstil manchmal etwas sonderbar bzw. ungewohnt an, was aber auch an der Übersetzung aus dem Japanischen liegen kann. Trotzdem als Lektüre ein absoluter Hochgenuss!
Stoff zum Nachdenken
Viel beschäftigt hat mich bei der Lektüre die Figur von Rikas bester Freundin Reiko, die ihre Karriere für eine Ehe aufgegeben hat und mit wachsender Verzweiflung versucht, ein Kind zu bekommen, während die Beziehung zu ihrem Mann sich aufzulösen droht. Der Druck, unter dem die Frauen* im Buch durch die japanische Gesellschaftsstruktur stehen, ist enorm. Einen richtigen Weg scheint es für keine zu geben, immer gibt es etwas, was auf der Strecke bleibt - und meistens ist es die mentale und körperliche Gesundheit der Frau selbst, oder ihr öffentlicher Ruf.
Bestes Geburtstagsgeschenk für …
… diejenigen, die z. B. Brüste und Eier von Mieko Kawakami gelesen haben. Oder wer Literatur mag, in der leckeres Essen ausführlichst beschrieben wird. ;)
Happy Hour
Kalten, grünen Tee, wie man ihn in Japan aus der Dose trinkt, oder ein japanisches Bier. Auf jeden Fall aber eine deftige Schüssel dampfende Ramen dazu!
Zu dieser Lebenslage passt das Buch
Packt Butter ein, wenn ihr in Sommerurlaub fahrt! Oder, falls ihr vom Reiseziel her noch nicht festgelegt seid, lest den Roman ein paar Wochen vor Abreise. Vielleicht entscheidet ihr euch ja spontan für einen Trip ins Land der Kirschblüten.
A little Bio never killed nobody
Asako Yuzuki, Jahrgang 1981, wurde in Tokio geboren. Die Werke der preisgekrönten Schriftstellerin wurden in 10 Sprachen übersetzt. Butter erschien in Japan bereits 2017.
